GNM Frankfurt: ZWEI

von Garcia Fernandez

 

Miha Ciglar und Nika Autor sind zwei. Sie leiten Strom durch Fernseher, Magnetfelder und ihren eigenen Körper, um auf diese Weise Töne und Bilder zu erzeugen. Während der eine elektronische Klänge gestaltet, generiert der andere Videobilder. Ihre zwei Ausdrucksmedien ergänzen sich, sie kontrastieren miteinander oder verbinden sich zu audiovisuellen Einheiten. Die Mitglieder des Trio Nexus sind nicht zu zweit, sie stellen zwei Komponisten einander gegenüber. Dem ersten Höreindruck zufolge scheinen Dror Feilers Stormo V und Christoph Ogiermanns wenn es trüb ist, denk ich: das ist schlimm differenten ästhetischen Positionen zugehörig. Feilers Ausloten von Lärm, seine immensen elektronischen Steigerungen und die Schockwirkung, welche der Schlag auf der verstärkten Trommel erzeugt, verweigert dem Hörer jegliche Form von leichtem Hörgenuss. Dagegen zeugen Ogiermanns elektronisch verfremdete Stimmen von seiner Nähe zur Performancekunst und zeitgenössischen Theaterformen. Dem aufmerksamen Hörer offenbaren sich jedoch auch Korrespondenzen. Die zwei Komponisten dieses Abends sind sich fern und nah zugleich, sie verbindet eine Art von sympathisierender Differenz.

 

Es sind solche und andere Paarbildungen, die im Mittelpunkt der aktuellen Konzertreihe ZWEI der Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik (FGNM) stehen. An insgesamt zehn Abenden erklingen zeitgenössische Werke, die dazu anregen, den unterschiedlichsten dualen Konstellationen nachzuspüren. Die Zweierbildungen können sowohl akustisch als auch visuell, in der jeweiligen Besetzung und unter den gespielten Komponisten, oder auch in kleinteiligen musikalischen Strukturen entdeckt werden. So umfasst die Reihe unter anderem den Duoabend ZWEI.INSTRUMENTE, welcher die ungleichen Instrumente Blockflöte und Trompete miteinander verbindet. Unter dem Titel ZWEI.GENERATIONEN erklingen Werke der älteren Komponistengeneration (Iannis Xenakis, Ben Johnston) gemeinsam mit Kompositionen der jüngeren Generation (Antje Vowinckel u.a.), das Konzert ZWEI.SOLI kombiniert Improvisationen von Theo Nabicht mit Kompositionen von Jan Jacob Hoffmann und der Abend ZWEI.AUS.EINS erkundet Permutationen des gleichen musikalischen Ausgangsmaterials. Die Zweierverhältnisse sind ganz bewusst lose gehalten. Auf diese Weise ist neu hinzukommenden Besuchern ein Einstieg jederzeit möglich. Zugleich bietet die Reihe jedoch auch dem regelmäßig anwesenden Publikum Verbindungen innerhalb der einzelnen Konzerte.


Seit ihrer Gründung 2003 setzt sich die FGNM für die Förderung zeitgenössischer Musik ein, wobei ihr besonderes Augenmerk auf Komponisten und Interpreten der Rhein-Main-Region liegt. Die monatlich stattfindenden Konzerte zielen auf eine kontinuierliche Arbeit und bereichern seit acht
Jahren das Frankfurter Konzertleben. Auf die Konzertreihe frequenzen (2004 bis 2008) und die Gesprächsreihe resonanzen (2006 bis 2008) folgten 2009 unter dem Titel MIND THE GAP! Konzerte und Dialoge, die sich Medienkonstellationen zwischen zeitgenössischer Musik und Klangkunst widmeten. Die aktuelle Reihe ZWEI ist eine reine Konzertreihe in Kooperation mit dem Haus am Dom, welches auch die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Zwischen den beiden ungleichen Institutionen ist ein fruchtbarer Austausch entstanden, der dazu beiträgt, Berührungsängste gegenüber zeitgenössischen Klängen zu überwinden und aufmerksam zu machen auf die verschiedenen Erscheinungsformen der gegenwärtigen
Musik.

 

positionen, Heft 87, Mai 2011